11.11.2022

Nachwuchsmangel im Handwerk – Erfahrungen aus der Praxis

Titelbild: Jannis Wiebusch Fotodesign/Sliwa Harte und Weiche Bodenbeläge

PROJECT FLOORS im Gespräch mit den Geschäftsführern Jan Loosen, Parkett Interfloor Düsseldorf, und Louis Sliwa, Sliwa Harte und Weiche Bodenbeläge Recklinghausen.

Wenig Ansehen, kaum Bewerbungen

Die Bodenbelagsbranche beklagt seit längerem einen Mangel an geeigneten und interessierten jungen Menschen, die noch ein Handwerk erlernen wollen. In unserer „überakademisierten Welt“ (Jan Loosen) gilt eine Ausbildung in einem klassischen Handwerksberuf nicht mehr als Garant für das schnelle, große Geld. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das - zumindest bezogen auf die Zeit nach einer Ausbildung - aber eher ein Trugschluss. Schließlich gilt auch hier: Je größer der Mangel desto größer der Wert. Dem Handwerk hängt aber immer noch ein sehr hartnäckiger und leider eher negativer Ruf an. Körperlich anstrengende, dreckige Arbeit für wenig Geld und Ansehen. 
Wie schwierig es ist, geeignete Bewerber zu finden, weiß auch Louis Sliwa, Geschäftsführer bei Sliwa Harte und Weiche Bodenbeläge in Recklinghausen. „Ein Studium wird nach wie vor höher bewertet. Die meisten wissen überhaupt nicht, was man im Handwerk verdienen kann. Viele Betriebe bieten heute attraktive Jobs bei guter Bezahlung“, so Louis Sliwa. „Wir bilden mit Leidenschaft aus. Es ist immer einfacher Kolleg:innen aus den eigenen Reihen in das Team zu integrieren. Unsere Auszubildenden haben die Firmenwerte und Arbeitsweisen von Anfang an inhaliert. Das kann mit externen Bewerbern, die andere Abläufe gewohnt sind, deutlich aufwendiger sein.“ 
 

Bild: Parkett Interfloor

Das Handwerk ist viel besser als sein Ruf!

Für mehr Attraktivität des Handwerks zu sorgen, das unterstützt auch Jan Loosen. „Ein erster Schritt könnte hier sein, die Ausbildungsvergütung anzuheben. Die ist im Vergleich zu manch anderem Ausbildungsgang noch recht niedrig“, gibt er zu bedenken. Auch die Vielseitigkeit des Handwerks sollte mehr kommuniziert werden. „Büroberufe sind doch oftmals viel eintöniger und längst nicht so kreativ“, so Louis Sliwa. Zudem ist die Leitung vieler Betriebe mittlerweile von den nachfolgenden Generationen übernommen worden. Diese zeichnen sich dann oft durch jüngere Teams mit flacheren Hierarchien aus, die wesentlich unkonventioneller arbeiten und eben nicht mehr dem Bild der alteingesessenen Betriebe entsprechen.

Bild: Sliwa Harte und Weiche Bodenbeläge

Das Handwerk braucht engagierten und interessierten Nachwuchs

Aber auch auf Seiten der jungen Menschen, die sich für ein Handwerk interessieren, vermissen die beiden Geschäftsführer Einsatz und vor allem auch Durchhaltevermögen. Jan Loosen berichtet, dass maximal die Hälfte der Auszubildenden auch abschließen. „Eine Abbrecherquote von 50% ist einfach zu hoch, wenn man weiß, was ein Betrieb in seinen Nachwuchs investiert“, bemängelt er. Und auch bei Sliwa machte man die Erfahrung, dass manche Interessenten nicht mal ein Praktikum durchgezogen haben. „Oftmals kommen die Kandidat:innen gar nicht so weit, das eigentliche Handwerk – das Bodenlegen – auszuprobieren, weil ihnen schon die Vorarbeiten auf der Baustelle wie das Reinigen und Vorbereiten des Untergrunds zu anstrengend sind“ berichtet Louis Sliwa. 

Ausbildungsbetriebe bei öffentlichen Vergaben bevorzugen

Wenig hilfreich ist auch die Tatsache, dass bei öffentlichen Ausschreibungen lediglich der Angebotspreis über die Vergabe entscheidet. Hier appelliert Jan Loosen, dass auch weitere Kriterien aufgenommen werden müssen. Wenn Ausbildungsbetriebe zusätzliche Plus-Punkte erhielten, die in das Vergabesystem einfließen würden, könne man weitere Anreize schaffen und diese Betriebe so fördern. Ebenso wäre eine lokale Nähe des anbietenden Betriebes zur geplanten Baustelle im Zeitalter von Energiekrise und Erderwärmung ein zeitgemäßes Vergabekriterium.

Das Handwerk ist von zentraler Bedeutung für uns alle 

Das Handwerk ist mit seinen kleinen und mittleren Betrieben das Kernstück unserer Wirtschaft. Es bietet ein breites Warenangebot und – anders als die große Industrie – erfüllt individuelle Kundenwünsche. Jeder dritte Handwerksbetrieb bildet aus. Sie sind Garanten für das Laufen unseres Wirtschaftsmotors und sichern damit unseren Wohlstand. Nicht nur Hersteller wie PROJECT FLOORS, sondern wir alle brauchen auch morgen noch qualifizierte Handwerker:innen. Es gibt Initiativen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Jugendliche anzusprechen und für Handwerksberufe zu begeistern. „Das ist Bodenhandwerk“ ist ein Beispiel dafür, das wir gerne unterstützen. 
Aber auch die Handwerksbetriebe sollten sich auf neue Wege einlassen, um die nächste Generation zu erreichen. Sie müssen dort sichtbar werden, wo sich die jungen Menschen aufhalten. Ein Betrieb, der aktiv auf TikTok und Co publiziert und rekrutiert, wird beim Thema Nachwuchs vermutlich besser dastehen als die Firma, die in der Printausgabe des örtlichen Wochenblattes inseriert. Und auch ohne weitreichende Social Media Kenntnisse kann man eine zeitgemäße Ansprache erreichen, indem Betriebe bspw. auf das Flyer- und Shopangebot von „Das ist Bodenhandwerk“ zurückgreifen.

Wir bedanken uns herzlich bei Jan Loosen und Louis Sliwa für den interessanten Austausch und wünschen für die Zukunft viele motivierte Bewerber für diese engagierten und kreativen Teams!
 

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